Nach einiger Zeit des Feilens und Schleifens, nähert sich der Rahmen nun langsam dem Zustand der Lackierbarkeit. Einige kleine Lackflecken finden sich aber noch am Rahmen, und dann kommen noch die zwei letzten Schleifrunden mit feinerem Schleifpapier.
Zuletzt hatte ich die Cantisockel der hinteren V-Brakes sowie die Kabelführungen abgeflext. Die restlichen Sockel am Rahmen habe ich nun in zwei Schritten abgefeilt. Zuerst mit einer gröberen Feile um das meiste Material abzutragen, und dann mit einer feinen Feile, um das restliche Material zu entfernen und die ursprüngliche Rahmenform wiederherzustellen. Schließlich habe ich noch die letzten Materialreste mit 120er-Schleifpapier entfernt.
Insbesondere beim Arbeiten mit einer groben Feile, die ja meist auch von der Bauart größer ausgelegt ist, muss man vorsichtig sein, da man sich recht schnell eine Kerbe in den Rahmen Feilen kann bzw. an anderen Stellen den Rahmen anfeilt und diese Stellen dann wieder nachbearbeiten muss. Und jede Bearbeitung des Rahmens geht zu Lasten des Materials, was grundsätzlich für die Struktur und der aufnehmbaren Kräfte nicht zuträglich ist. Das Thema Kerben ist beim Material Aluminium nicht unkritisch. Dazu schreibe ich aber nachher noch ein paar Worte, da dies an einer folgenden Stelle der Rahmenbearbeitung noch relevanter wird.
Hier erstmal ein paar Bilder der Stellen, an denen ich Material mit der Feile abtragen musste. Das erste zeigt die Stellen, an denen die Cantisockel angebracht waren, die folgenden zwei Fotos die Stellen, an denen die Kabelführungen am Oberrohr saßen.
Im letzten Beitrag hatte ich bereits geschrieben, dass ich die Kabelführung, die beim Mountainbike noch extern am Rahmen verlief, für das Gravelbike in den Rahmen integrieren möchte. Meine Idee war, sowohl den Schaltzug nach hinten, als auch das Kabel für die hydraulische Bremse komplett durch den Rahmen zu führen. Bezüglich des Schaltzugs habe ich aber jetzt nach mehreren Tagen des Nachdenkens und Recherchierens entschieden, dass sich das so, wie gewünscht, nicht umsetzen lässt. Leider ist das Tretlager so klein, dass ich dort kaum eine vernünftige Führung für den Schaltzug unterbringen könnte. Da der Schaltzug unter Spannung stehen muss, kann man das Kabel nicht einfach lose durch das Tretlager führen. An dieser Stelle habe ich mich dazu entschieden, auch für die hintere Schaltung auf eine elektronische Lösung zu gehen, vermutlich eine SRAM XPLR, da hierdurch das Thema Schaltzugführung komplett entfällt.
Die Zugführung der hydraulischen Bremse ist unkritischer, da diese technisch bedingt nicht unter Zug stehen muss. Hier stellte sich jedoch die Frage, an welcher Stelle des Rahmens ich die Bremsleitung aus dem Rahmen herausführe. Eine vorhandenes Austrittsloch, das ich hätte direkt verwenden können, gab es leider nicht.
Wieder gingen einige Tage Recherche ins Land, in denen ich mich mit dem Thema beschäftigt habe. Mein erster Gedanke war ganz einfach. Wenn kein Loch da ist, um das Kabel an der Ketten- oder der Sitzstrebe nach außen zu führen, dann bohrt man halt einfach eins. So weit, so einfach, so dumm. Zwei grundsätzliche Fragestellungen führen dazu, dass man nicht einfach gedankenlos ein Loch in einen Fahrradrahmen bohren sollte.
Erstens ist der Fahrradrahmen dazu da, während der Fahrt auftretende Zug- und Druckkräfte aufzunehmen. Der Rahmen sollte dabei natürlich so ausgelegt sein, dass diese Kräfte nicht zu einer Zerstörung bzw. Bruch des Materials führen. Die Konstruktion eines Fahrradrahmens ist damit immer ein Kompromiss zwischen Gewicht (und auch Preis) und Stabilität des Rahmens. Deswegen wird meist sehr genau abgewogen, an welcher Stelle des Rahmens, man mit welchen Rohren, welcher Wandstärke usw. arbeitet. An der falschen Stelle Material wegzunehmen bzw. die Struktur des Rahmens zu verändern, und beides passiert, wenn man ein Loch in einen Rahmen bohrt, kann fatale Auswirkungen auf die Stabilität des Rahmens haben.
Wenn man das erste Problem gelöst, und eine Stelle gefunden hat, an der das Bohren eines Loches ohne gravierende Auswirkungen auf die Stabilität des Rahmens bleibt, ergibt sich aber ein zweites Problem. Der Rahmen besteht aus Aluminium, und wie jeder Werkstoff, sei es Carbon, Stahl oder Titan, hat jedes Rahmenmaterial Vorteile, aber auch Nachteile, im Einsatz und der Verarbeitung. Aluminium ist ein recht sprödes Material und daher sehr anfällig für den sog. ‘Kerbeffekt’. Beim Kerbeffekt können sich durch Beschädigungen im Material Risse bilden, die sich durch das Material fortpflanzen und zu einer Schwächung des Materials führen. Final kann es zu einem Ermüdungsbruch kommen, da das Material die auftretende Kräfte nicht mehr aufnehmen kann.
Letztlich habe ich mich dazu entschieden, ein bereits vorhandenes Loch in der Kettenstrebe zu erweitern, anstatt an anderer Stelle ein neues Loch zu bohren. Die Austrittsstelle ist nicht perfekt für die Bremskabelführung, sollte aber trotzdem problemlos funktionieren.
Im ersten Bild kann man rechts unten das ursprünglich vorhandene Loch in der Kettenstrebe sehen. Der Durchmesser war ca. 2,5mm. Das zweite Bild zeigt das erweiterte Loch, welche ich in drei Bohrschritten auf 6mm erweitert haben. Beim Feilen der Ränder dürfte nochmals ca. 1mm Durchmesser hinzugekommen sein. Das Bremskabel hat einen Durchmesser von 5mm. Wie ich dort ggf. noch eine Führung unterbringe, muss ich mir noch überlegen.
Nun gilt es final noch die letzten Lackreste zu entfernen und dann die zwei letzten Schleifgänge durchzuführen. Dann stünde dem Grundieren des Rahmens zum anschließenden Lackieren nichts mehr im Wege.